Die Sondierungsgespräche über eine Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen stehen am Rande des Scheiterns – aus unterschiedlichen Gründen. In Dresden hatten Abgeordnete des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) am Freitag für einen AfD-Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Corona-Politik gestimmt, weshalb die SPD die Gespräche vorerst unterbrach.
Die sächsischen SPD-Vorsitzenden Kathrin Michel und Henning Homann bezeichneten den „Schulterschluss von AfD und BSW“ als „schwere Belastung für die laufenden Sondierungsgespräche“. Die BSW-Fraktion habe im Landtag den Eindruck vermittelt, dass sie den Antrag der AfD auch inhaltlich unterstützt, dies sei fatal.
Wagenknecht blockierte laut CDU zwischenzeitliche Einigung
In Thüringen ist der Knackpunkt aktuell, wie sich eine künftige Landesregierung – obwohl sie dabei keinerlei Mitsprache hat – in außenpolitischen Fragen und zum Ukrainekrieg positioniert.
„Die Verhandlungen haben einen kritischen Punkt erreicht“, hieß es am Samstag aus Verhandlungskreisen der Thüringer CDU gegenüber dem Tagesspiegel. Demnach wurde im Laufe der Woche mehrfach über den Wortlaut einer Präambel eines möglichen Koalitionsvertrages beraten und auch eine Einigung über die sogenannte „Friedensformel“ erzielt.
Kurz darauf soll das BSW seine Zustimmung zu der Formulierung zurückgezogen haben – auf Intervention der Parteigründerin Sahra Wagenknecht hin.
Der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Georg Maier sagte dem „Mitteldeutschen Rundfunk“, er habe nur noch wenig Hoffnung, dass die Gespräche, die in den nächsten Tagen fortgeführt werden sollen, zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden können. Er habe „den starken Eindruck“, dass Wagenknecht eine sogenannte Brombeer-Koalition aus CDU, SPD und BSW verhindern wolle.
Das BSW wiederum bestritt die Darstellung, dass die Verhandlungen kurz vor dem Aus stünden.
Was bis jetzt verhandelt worden ist, liest sich ganz vernünftig.
Jens Spahn, CDU-Präsidiumsmitglied, der aber eine Klärung der Machtfrage innerhalb des BSW verlangt
Die CDU-Landeschefs von Sachsen und Thüringen, Michael Kretschmer und Mario Voigt, hatten kürzlich in einem „FAZ“-Gastbeitrag skizziert, wie weit sie außenpolitisch zu gehen bereit sind, ohne aus ihrer Sicht die Grundüberzeugungen der Partei zu verraten.
Entlang des Satzes, dass man sich gegenüber der Bundesregierung „für einen Waffenstillstand und Verhandlungen“ im Ukrainekrieg einsetzen wolle, soll auch das Thüringer Papier formuliert gewesen sein, das Wagenknecht nicht weit genug ging.
Wenn CDU und SPD mit uns regieren wollen, braucht es Respekt vor den Wählern.
Fabio de Masi, BSW-Europaabgeordneter, fordert unter Verweis auf wichtige Anliegen der Wählerschaft weitere Zugeständnisse.
Das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sagte dem Tagesspiegel, seine Partei werde abwarten, bis sich die Machtverhältnisse zwischen Wagenknecht und den Landesverbänden geklärt hätten. „Was bis jetzt verhandelt worden ist, liest sich ganz vernünftig“, so der Unionsfraktionsvize im Bundestag.
„Im ersten Jahr seiner Gründung muss sich das BSW entscheiden, ob es populistische Maximalpositionen vertreten will und Wagenknecht das alleinige Sagen haben soll – oder gewählte Vertreter in den Landtagen von Dresden und Erfurt etwas erreichen können für ihre Länder“, sagte er.
BSW verweist auf gemeinsame Entscheidungen der Gesamtpartei
„Es gibt da nichts zu klären“, sagte dagegen der BSW-Europaabgeordnete Fabio de Masi dem Tagesspiegel: „Selbstverständlich werden Entscheidungen in Parteien gemeinsam diskutiert. Unser Maßstab ist dabei, ob der Wählerwille respektiert wird.“
In Thüringen etwa spreche sich eine große Mehrheit gegen eine Stationierung amerikanischer Raketen in Deutschland aus, befürworte eine stringente Aufarbeitung des Corona-Managements und fürchte um die flächendeckende Gesundheitsversorgung durch die Krankenhausreform, so de Masi weiter. „Wenn CDU und SPD mit uns regieren wollen, braucht es Respekt vor den Wählern.“
Weitergehende Zugeständnisse in den Formulierungen eines Koalitionsvertrags, etwa in Form einer ausdrücklichen Kritik an der Stationierung von US-Raketen in Deutschland, stießen am Wochenende auf dem Parteitag der Jungen Union in Halle auf strikte Ablehnung. „Wir sind gegen die Stationierung von Putin-Propaganda in deutschen Landesregierungen“, sagte ihr Bundesvorsitzender Johannes Winkel. (mit dpa)