
Oberbürgermeisterin in Sachsen bedroht, mutmaßlich von Rechtsextremen. Schon wieder. Man möchte gleich weiterscrollen, die Zeitungsseite umblättern.
Doch dieser Gewöhnungseffekt ist fatal.
Constance Arndt, die parteilose Oberbürgermeisterin von Zwickau, darf nicht alleine gelassen werden. Auch, wenn die Mail vielleicht nur von einem „Spinner“ stammt, wie sie selbst sagt. Drohungen gegen Politikerinnen sind nur die Spitze des Eisbergs.
In den vergangenen Tagen machten weitere rechtsextreme Vorfälle aus Sachsen Schlagzeilen: Oberschüler, die vor dem Vernichtungslager Auschwitz mit rechtsextremen Handzeichen posieren. Unbekannte, die eine Lehrerin im Erzgebirge so sehr mir rechtsextremen Gewaltfantasien drangsalierten, dass sie die Schule verlässt.
Rechtsextreme Vorfälle an Schulen haben zugenommen, Jugendliche schließen sich Neonazigruppierungen an. Auch die Zahl rechtsextremer Gewalttaten in Sachsen ist laut Opferberatung im vergangenen Jahr um ein Drittel gestiegen. Jede Meldung ist ein Puzzlestück im Gesamtbild, das zeigt, wie groß das Problem Rechtsextremismus in Sachsen ist.
All das ist gleichermaßen bekannt wie besorgniserregend.
Kaum politische Reaktionen
Umso tönender die Stille im politischen Raum. Zwar wurde die Drohung gegen die Zwickauer Oberbürgermeisterin einhellig verurteilt, doch zu den meisten der anderen Vorfälle gibt es kaum politische Resonanz.
Gewöhnungseffekt oder Kalkül? Der CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident Michael Kretschmer jedenfalls spricht in Interviews dieser Tage lieber von Verschärfungen in der Asylpolitik.
Das Problembewusstsein steigt
Fatal ist auch, dass die Landesregierung Fördergelder für Demokratiearbeit und Opferschutz kürzen will. Das nutzt der Haushaltskonsolidierung nur wenig, der potenzielle Schaden dagegen ist groß.
Denn: Weltoffenheit ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Für den geplanten Ausbau der Chipindustrie in Dresden bauen die Unternehmen auf internationale Fachkräfte. Sie werden nicht kommen, wenn sie ihre Kinder an Schulen schicken müssen, in denen Hakenkreuze und Neonazi-Modemarken zum Alltag gehören.
Immerhin: Das Problembewusstsein ist gestiegen, auch in der sächsischen CDU. Die Landesregierung besitzt inzwischen ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus, der Geschichtsunterricht an Schulen wurde aufgestockt, mehr Sozialarbeiterinnen an Schulen eingestellt.
Ob das gegen rechtsextreme Propagandavideos bei TikTok ausreicht?