Was ist mit „Softwarefehler“ gemeint?
Grundsätzlich halten es die Experten, mit denen der #Faktenfuchs gesprochen hat, für plausibel, dass die ursprünglich fehlerhafte Sitzverteilung auf einen Softwarefehler zurückgeht. Thorsten Schröder ist IT-Sicherheitsexperte und als Netzaktivist im Chaos Computer Club aktiv. Er schreibt dem #Faktenfuchs per Mail: „Ungewöhnlich sind Fehler in Software keineswegs“.
Ohne die Auskunft des Landeswahlleiters zur genauen Ursache des Fehlers oder zur Software könne der Softwarefehler jedoch technisch nicht vollkommen nachvollzogen werden, so Schröder. „Es ist aktuell reine Spekulation, um was für einen Fehler es sich genau handeln könnte: Rundungsfehler, falscher Algorithmus, Rechenfehler, Konfigurationsfehler bei der Benutzung – alles könnte möglich sein“, schrieb Schröder.
Ein Softwarefehler kann mehrere Ursachen haben.
Experten halten drei Szenarien für möglich, die so einen Fehler verursacht haben könnten. Ohne nähere Informationen vom Landeswahlleiter zur Ursache des Fehlers sind diese Szenarien aber stets Spekulation.
1. Fehler im Code: Ein Versäumnis des Programmierers
Ursache für die fehlerhafte Berechnung der Sitze könnte ein Fehler im Code des Programms sein, erklärt Thorsten Schröder. Also menschliches Versagen, denn der Computer mache in der Regel genau das, was ein Programmierer ihm angewiesen hat, so Schröder. „Wenn ein Programmierer sich allerdings unklar ausdrückt, einen Tippfehler macht oder schlicht falsch gedacht hat, dann macht der Computer trotzdem das, was der Programmierer fälschlicherweise aufgeschrieben hat.“
2. Altes Rechenverfahren: Landeswahlleiter verneint, Experten halten es weiterhin für plausibel
Auch gibt es Spekulationen darüber, ob noch ein altes Verfahren zur Vergabe der Sitze im Programm implementiert war beziehungsweise bei der Berechnung verwendet wurde. Der Landeswahlleiter hat das dem #Faktenfuchs gegenüber verneint. Das hatten User im Netz und Wahlexperten vermutet. Denn die vom Landeswahlleiter veröffentlichte Sitzverteilung entsprach einem Umrechnungsverfahren, das in Sachsen bis 2022 galt, dem D’Hondt-Verfahren.
Es wäre also reiner Zufall, dass der Softwarefehler zum gleichen Ergebnis führte, wie es auch eine Berechnung nach dem alten Verfahren tun würde.
3. Sonderfälle bei Sachsen-Wahl, die nicht Teil des Testlaufs waren
Dass die Software bei den sächsischen Kommunalwahlen drei Monate vor der Landtagswahl ohne Fehler funktionierte, könnte laut Cantow an zwei Sonderfällen bei der Landtagswahl liegen — die es bei der Kommunalwahl nicht gab. Und auch vorher in der Geschichte Sachsens nicht, so Cantow. Diese Sonderfälle wurden eventuell im Code des Programms nicht umfassend berücksichtigt. „Möglicherweise trat der Softwarefehler im Zusammenwirken dieser zwei Ausnahmekonstellationen auf“, so Cantow.
Kritik wegen fehlender Transparenz — Ruf nach Open Source-Wahlsoftware
Thorsten Schröder und andere Netzaktivisten vom Chaos Computer Club fordern nun nicht zum ersten Mal mehr Transparenz von Wahlsoftware. Der Landeswahlleiter soll, wenn es nach ihnen geht, nicht nur den Hersteller der Software öffentlich machen. Sondern auch den Quellcode. Der Landeswahlleiter lehnt das ab – aus Sicherheitsgründen.
Thorsten Schröder schreibt auf #Faktenfuchs-Anfrage, er könne es nicht nachvollziehen, dass Landeswahlleiter und Hersteller so ein Geheimnis aus der Ursache machen. „Diese Form der Fehlerkultur ist meines Erachtens nicht angebracht und auch nicht zielführend, stattdessen begünstigt es die Entstehung von Verschwörungstheorien“, so Schröder.
Die Forderung der Netzaktivisten sei daher nachvollziehbar, sagt auch Matthias Cantow von wahlrecht.de. In der Praxis gebe es jedoch Hürden. „Es ist auch eine Frage der Umsetzung. Unternehmen, die ihre Software verkaufen, haben natürlich keinen Anreiz, die in Open Source umzuwandeln“, so Cantow.
Fazit
Laut Experten ist ein Softwarefehler bei der Berechnung der Sitzplatzvergabe nach der sächsischen Landtagswahl plausibel und Wahlbetrug an dieser Stelle ausgeschlossen. Denn an den eigentlichen Stimmzahlen änderte sich nichts und die Umrechnung der Stimmen in Sitzplätze findet nach einem gängigen und transparenten mathematischen Verfahren statt.
Hinter dem Softwarefehler könnte laut Experten ein Fehler beim Programmieren stehen oder ein anderer Fehler im Code: etwa ein altes Rechenverfahren zur Sitzverteilung oder Sonderfälle, die bei der diesjährigen Wahl auftraten. Auch wenn Experten keinen Ansatzpunkt für Manipulation sehen, kritisieren sie die fehlende Transparenz seitens des Wahlleiters.