Sächsischer Humor – damals und heute


Interview mit Tina Goldschmidt

MDR GESCHICHTE: Was ist für Sie sächsischer Humor?

Mein Humor ist sächsisch, weil ich aus Sachsen komme und mit sächsischem Wortwitz aufgewachsen bin. Mein Papa hat am Frühstückstisch Wortwitze gemacht – so was wie: „An un für sich is dr Pfirsich lieber für sich“. Auch das Sinnlos-Telefon mit Steffen Lukas begleitete mich in meiner Kindheit. Ebenso wie meine Großeltern aus Chemnitz mich mit ihrem Wortwitz geprägt haben. Wie klingt ein Wort im Dialekt – wie ist das Pendant im Hochdeutschen. Bekannte aus Bayern haben sich zum Beispiel über „der hat was gemaust“ kaputtgelacht, weil mausen da etwas komplett anderes ist. Das ist so ähnlich wie „Ich bin den ganzen Tag rumgerammelt“. Das Spiel mit der Unklarheit und dem Augenzwinkern dabei – das ist für mich sächsischer Humor. Außerdem kann sächsischer Humor aufbrausend sein, wir reden uns schnell in Rage, ohne dabei böse zu werden.

Gibt es für Sie Unterschiede zwischen dem Humor der Dialekte, wie z.B. dem im Rheinland und dem dortigen Karneval?

Der sächsische Humor ist weniger sichtbar. Er passiert nicht so offensichtlich wie eine Büttenrede. Es passiert ganz viel zwischen den Zeilen. Außerdem ist für mich der sächsische Dialekt eine Einladung ins Private. Wir sind jetzt mal unter uns und reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist.

Haben Sie jemals bereut, Ihre akademische Laufbahn für das Humorfach aufgegeben zu haben?

Nein. Weder habe ich bereut, in der Wissenschaft gewesen zu sein, noch habe ich bereut, diese verlassen zu haben. Es war für mich zu dem Zeitpunkt definitiv der richtige Schritt. Außerdem empfinde ich meine Arbeit jetzt als gar nicht so viel anders. Ich schreibe jeden Tag und ich überlege auch jeden Tag, wie ich die Leute erreichen kann. Jedoch ist der Zyklus zwischen dem Schreiben und ‚es kommt etwas zurück‘ sehr sehr kurz und das ist in der Wissenschaft komplett anders, da kann das zuweilen Jahre dauern. Dass das jetzt schneller geht, ich die Menschen schneller erreiche und ihnen Freude machen kann, ist für mich ganz toll. Das gibt mir viel Energie.

Haben Sie jemals versucht, sich Ihren Heimatdialekt abzutrainieren, zum Beispiel bei der Arbeit?

Da ich hauptsächlich auf Englisch gearbeitet habe, hat das für mich gar keine Rolle gespielt. Selbst, als ich in Berlin gearbeitet habe, war das so ein internationaler Arbeitsplatz, dass ich selten Deutsch, sondern meistens Angelsächsisch gesprochen habe.

Als Kind wurde ich mitunter ermahnt, ordentlich zu sprechen, obwohl wir in der Familie sächsisch gesprochen haben. Ordentlich bedeutete Hochdeutsch. Als ich für mein Grundstudium nach Bremen ging, bin ich zum ersten Mal damit konfrontiert worden, dass mit Dialekt auch eine Wertung einhergeht. Da wurde sächseln direkt als Witz wahrgenommen, ohne dass ich aktiv einen gemacht hätte. Als ich dann mit meiner Hörserie anfing, sollten die Charaktere sächsisch klingen, aber es hat sich für mich zunächst ganz komisch angefühlt, das auch so aufzunehmen und rauszutragen. Ich habe angefangen zu reflektieren und mich nach dem Warum zu fragen. Dabei habe ich gemerkt, dass ich eine Erwartungshaltung hatte, die Reaktion könnte negativ sein. Dann durfte ich aber im Gegenteil die Erfahrung machen, dass die Reaktionen durchweg positiv waren. Negative Reaktionen sind tatsächlich kaum nennenswert gewesen. Das war für mich sehr heilsam. So konnte ich Aussagen aus der Vergangenheit, wie ‚Ich hätte gar nicht gedacht, dass Du aus Sachsen/dem Osten kommst.‘ als unreflektiert ad acta legen. Es ist doch viel schöner, die sprachliche Vielfalt zu genießen.

Haben Sie ein sächsisches Lieblingswort?

Ja, das ist ‚Herzel‘. Bei meiner Omi sind alle ‚Herzeln‘ und bei mir auch. Außerdem steht ‚egal‘ im Sinne von ‚immer‘ ziemlich weit oben im Ranking. Dazu habe ich auch mal ein Video gemacht.

Auch ‚euja‘ im Sinne von ‚ja doch‘ sagt meine Omi oft. Oder ’so ä Platsch!“‘ jemand ist platschig. (ein bisschen ungelenk, ungeschickt.)

Würde Ihre Kunst überhaupt komplett ohne Dialekt funktionieren?

Ich hoffe immer, dass es beides ist, dass die Witze an sich lustig sind und der Wortwitz sein Übriges tut. Aber ich versuche schon so zu schreiben, dass die Texte an sich lustig sind. Aber es ist wohl auch die Figur, die ich spiele, die alle sächsischen Persönlichkeiten in meinem Leben, die mich geprägt haben, widerspiegelt, die ganz lieb daherkommt und der dann die Hutschnur im unmöglichsten Zeitpunkt platzt. Die überspitzte Pointe braucht womöglich den Dialekt, auch wenn der Aufbau des Witzes ohne klarkommt.

Was war für Sie die wichtigste Reaktion auf Ihre Videos?

Das waren Reaktionen wie: ‚Oh so hat meine Omi geredet‘ oder ‚ach, klingt das nett‘. Wenn Leute schreiben, dass meine Videos sie nach einem stressigen Tag froh machen, freut mich das total. Wenn ich dazu beitragen kann, das Leben leichter zu nehmen, ist schon viel erreicht. Außerdem habe ich gesehen, dass man eben doch reden kann, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Wenn der Inhalt stimmt, ist das für die Leute schön. Die oft zitierte negative Wahrnehmung erlebe ich ausdrücklich nicht und das macht mich froh.

Wie reagiert das Publikum außerhalb Sachsens auf Ihren Dialekt, Ihr Sächsisch?

Auftritte außerhalb Sachsens hatte ich noch nicht viele. Einmal habe ich in Hamburg gespielt. Davor war ich wahnsinnig aufgeregt. Aber das lief super, worüber ich mich sehr gefreut habe. Generell kann ich zum Beispiel auf Instagram sehen, wo ich Publikum habe. Da habe ich viel Zuspruch aus dem Münchner Raum und Hamburg scheint eben auch so ein Ballungszentrum zu sein. Die Rückmeldungen sind sehr positiv, was sehr schön ist.

Haben Sie Vorbilder in Sachen sächsischer Humor?

Das sind Vorbilder aus meinem persönlichen Umfeld. Meine sächsische Inspiration ist meine Omi. In der Schule haben wir natürlich Lene Voigt gelesen. Herricht und Preil – diese Schallplatten liefen bei uns hoch und runter. Aber die waren ja nicht sächsisch, sondern eher DDR-Humor.



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Author: admin

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