Sachsen: Pirna baut Ausstellung über Geflüchtete noch vor Eröffnung wieder ab


In Pirna ist es zu einem Eklat um
eine geplante Ausstellung von Interviews und Fotos mit Geflüchteten gekommen.
Ursprünglich sollte die Ausstellung Es ist nicht leise in meinem Kopf ab dem
25. September im Foyer des Pirnaer Landratsamts gezeigt werden. Die
Veranstaltung war als Beitrag zu den Interkulturellen Wochen in der Stadt in
der Sächsischen Schweiz gedacht. Doch noch vor der Eröffnung wurde die Ausstellung durch das
Landratsamt wieder entfernt. Die Schau habe „bereits in den ersten Stunden nach
ihrem Aufhängen“ bei Besuchern und Mitarbeitern des Amts „polarisiert“ und „für
eine aufgeheizte Stimmung unter den anwesenden Betrachtern“ gesorgt, teilte die
Pressestelle des Landratsamts mit. Landrat im Kreis ist der CDU-Politiker Michael
Geisler.

Die Schau wurde konzipiert vom
Flüchtlingsunterstützerkreis Schwarzenberg, einem kleinen Ort im sächsischen
Erzgebirge. Auf mehreren Tafeln geben 35 Geflüchtete, die aus Syrien, Afghanistan
und afrikanischen Ländern nach Sachsen gekommen sind, Einblicke in ihr Leben
und berichten von ihren Erfahrungen. Außerdem wird über Fluchtrouten und -ursachen
informiert. In den vergangenen Monaten wurde die Schau bereits an mehreren Orten
gezeigt, etwa in Kirchen, in einer Schule, in der Chemnitzer Arbeitsagentur und
im Sächsischen Landtag. Nun war als nächste Station Pirna geplant.

Ausstellungstafeln wurden ohne weitere Information abgehängt

Werner Lobeck und seine Frau
Lenore haben die Ausstellung konzipiert. Die
Tafeln seien am Mittwoch vergangener Woche im Landratsamt Pirna aufgehängt
worden. Doch am Tag danach hätten sie erfahren, dass sie wieder entfernt worden
sei, sagte Lobeck. Es sei ihnen vom Amt lediglich mitgeteilt worden, dass
es „mehrere Beschwerden“ gegeben habe. Mehr hätten sie danach tagelang nicht
erfahren. Sie hätten keine Informationen erhalten, „um welche Beschwerden es ging, von wem sie kamen, und auf
wessen Geheiß die Bilder wieder abgehängt wurden“. Sie hätten auch nicht
gewusst, wo ihre Bilder seien und ob sie beschädigt worden seien, sagte Lobeck.

Die
Ausstellungsmacher nannten den Vorfall in einer Mitteilung „ungeheuerlich“. „Davor, dass Bilder oder die
Ausstellung von Rassisten oder Rechten beschädigt oder attackiert werden, ist
man nicht sicher“, heißt es darin. „Außer selten verbal geäußertem
Missfallen blieb bisher zum Glück alles unversehrt.“ Über das Verhalten in
Pirna sei man „schockiert“. Dass ein Amt eines
demokratischen Staates die Bilder einer derartigen Ausstellung aufgrund von „Beschwerden“
wieder abnehme, habe eine völlig neue Dimension.

Plakate hätten „verständlicherweise den Unmut von Bürgern“ hervorgerufen

Das Landratsamt Pirna teilte mit, dass durch die im Landratsamt zuständige Beauftragte für Integration und
Migration „im Vorfeld offenbar keine ausreichende Auseinandersetzung mit den
Inhalten der Fotos und Texte der Ausstellung“ erfolgt sei, „um die möglichen
Auswirkungen ausreichend bewerten zu können“. Bevor
diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, wäre dann „die Brisanz der dort
kommunizierten Äußerungen aufgefallen“, hieß es.

Als Beispiele für nach Ansicht
des Landratsamts brisante Sätze, die auf den Ausstellungstafeln von
Geflüchteten zu lesen sind, werden aufgeführt: Aussagen, wie „Wir sind
eingesperrt wie hinter einer Mauer“. Oder in Bezug auf die Polizei „nur
kontrolliert wirst, weil du schwarz bist“. Andere Äußerungen, die im Amt
Missfallen erregt hätten, lauten: „Ich habe kein Leben in Deutschland … Ich weiß
nicht, ob ich hierbleiben will.“ Diese
Aussagen hätten laut dem Landratsamt „verständlicherweise den Unmut und das
Unverständnis von Bürgern und Mitarbeitern des Landratsamtes“ hervorgerufen. 

„Zu
keiner Zeit erhielten wir ein positives Feedback zu den zahlreichen negativen
Äußerungen der in unserem Land Schutzsuchenden. Insofern war die Ausstellung
aus unserer Sicht nicht geeignet, Vorurteile abzubauen, wie im Vorfeld
kommuniziert, sondern vielmehr diese noch zu verstärken.“ Man habe sich
entschieden, „vom Hausrecht Gebrauch zu machen und den sofortigen Abbau der
Ausstellung zu veranlassen“. Die Bilder würden „sicher in Räumen der
Landkreisverwaltung verwahrt“.

Ausstellungsmacher können die Kritik nicht nachvollziehen

Werner Lobeck kann diese Kritik und die Begründung des Amts nicht nachvollziehen. Er habe viel Kontakt mit
Geflüchteten in der Region. „Einige Geflüchtete, die schwarz sind, schildern,
dass sie teils mehrere Polizeikontrollen am Tag erleben und diese mitunter auch
als rassistisch motiviert wahrnehmen. Das gehört zu deren Alltag.“ Es gebe auch andere Äußerungen auf den Tafeln, sagte Lobeck. „Da ist auch zu lesen, dass
Geflüchtete dankbar sind, in Deutschland zu leben und etwas zurückzugeben, aber
die sind wohlweislich vom Landratsamt nicht erwähnt worden.“



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Author: admin

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