Verwaltungsrichter berichtet:Warum sich in Sachsen die Asylklagen stapeln
An Sachsens Gerichten steigt die Zahl der Klagen von abgelehnten Asylbewerbern massiv. Obwohl sie meist scheitern, ist die Prüfung sehr aufwendig, wie ein Richter erklärt.
In Sachsens Gerichten stapeln sich Klagen abgelehnter Asylbewerber. Ein sächsischer Richter erklärt, wie aufwendig die Verfahren sind.
Quelle: ZDF
Wo ihr Mann sei, fragt Richter Robert Bendner. Das wisse sie nicht, antwortet die junge Türkin. Die beiden hätten sich nach ihrer Ankunft in Deutschland getrennt. Heute seien sie und ihr Anwalt da, um ihre eigenen Interessen zu vertreten: Sie hoffe, dass Verwaltungsrichter Bendner ihren vor drei Jahren gestellten und bereits abgelehnten Asylantrag letztlich doch noch positiv bescheide, sagt die Frau.
Kriegsflüchtlinge und immer mehr Asylbewerber treffen auf überlastete Behörden. Die Willkommenskultur in Deutschland ist erschöpft – die Integration am Limit.09.02.2025 | 30:00 min
Abgelehnter Asylantrag: Richter prüft Begründung des Bamf
Sie erzählt von Hausdurchsuchungen der türkischen Polizei und von der Angst vor Verfolgung, weil sie Kurdin sei und weil sie in einer Bildungseinrichtung gearbeitet habe, die der Gülen-Bewegung zugerechnet wird. Ihr Mann habe Polizist werden wollen, wurde aber aus ähnlichen Gründen immer wieder abgelehnt.
Verwaltungsrichter in der Regel letzte Instanz
Flüchtlinge haben oft „keine Möglichkeit“, mit einem „Aufenthaltstitel einzureisen“ und müssten deshalb „an die Grenze kommen“, so der Verfassungsrechtler Professor Winfried Kluth.18.02.2025 | 4:43 min
Bendner muss sich nun einen Reim auf das Gehörte machen. Er wird es sein, der über das Schicksal der beiden jungen Türken entscheidet. Leicht will er sich das nicht machen: „Es gibt da keine Routine“. Mit jeder Entscheidung gehen neben der rechtlichen Würdigung aller Umstände auch emotionale Momente einher. Denn er ist in aller Regel die letzte Instanz.
Sachsen: Tausende Asyl-Fälle unerledigt
Die Fälle abgelehnter Asylbewerber stapeln sich – Ende 2024 gab es in den drei sächsischen Verwaltungsgerichten 8.700 unerledigte Fälle. Denn anders als sich das der eine oder andere vielleicht wünsche, so Bendner, sehe man im Verwaltungsgericht Dresden jeden Fall als Einzelfall: „Das ist eben mein Problem, dass wir es eigentlich im Asylverfahren mit einem Massenverfahren zu tun haben, das sich eigentlich nicht für ein Massenverfahren eignet.“
Sie haben es mit Schicksalen zu tun, also mit Einzelschicksalen, die Sie auch einzeln würdigen müssen.
Robert Bendner, Verwaltungsrichter in Dresden
Bei den Sondierungsgesprächen von Union und SPD stellt die Migrationspolitik bisher eine Hürde dar. Die Union will auch Asylbewerber an der Grenze zurückweisen.
06.03.2025 | 1:32 min
Dresden: Mehr als die Hälfte aller Fälle Asylverfahren
Im Dresdner Verwaltungsgericht arbeiten 40 Richter mittlerweile hauptsächlich an Asylklageverfahren. Also Verfahren, in denen sich die Asylbewerber gegen die Ablehnung ihrer Bescheide wehren. Bendner erzählt, dass nach einer Ablehnung in den „allermeisten Fällen die Klage hinterher“ kommt: „Mehr als die Hälfte unseres Bestandes besteht im Moment aus asylrechtlichen Verfahren.“
Ein Kollege sagte mir gerade, er hätte in den letzten zehn Tagen so viel bekommen, wie die Kammer im Prinzip in einem Monat bearbeiten könnte.
Robert Bendner, Verwaltungsrichter in Dresden
Justizministerium Sachsen: 71 Prozent der Asyl-Klagen erfolglos
Das sächsische Justizministerium spricht von einer angespannten Situation in allen Bereichen der Justiz. In einer Pressemitteilung gibt das Ministerium bekannt: „Nach Angaben des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Bautzen verzeichneten die sächsischen Verwaltungsgerichte insgesamt 8.747 Neuzugänge – 2023 waren es 5.703 Klagen. In 71 Prozent der Hauptsacheverfahren blieben Klagen erfolglos, in rund 12 Prozent erfolgreich und in rund 17 Prozent teilweise. In Eilverfahren lag die Erfolgsquote bei rund 30 Prozent.“
Viele Menschen mit Migrationsgeschichte spüren derzeit, wie weit die Debatte um Migration nach rechts rückt.21.02.2025 | 2:37 min
Sächsische Justizministerin lädt zum Asylgipfel
In seiner Logik muss der Staat mehr Richter einstellen, wenn er mehr Fälle schneller bearbeitet haben will. Doch Justizministerin Geiert hatte schon vorab zu Protokoll gegeben: „Wenn der Staat kein Geld hat, hat er kein Geld. Wir müssen damit umgehen…“.
Flucht nach Europa
:Asylanträge in der EU deutlich gesunken
Im letzten Jahr ist die Zahl der Asylanträge in der EU deutlich gesunken – sie fiel laut Asylagentur EUAA elf Prozent niedriger als 2023 aus. 1.014.000 Anträge wurden registriert.