Hunderte neue Lehrkäfte für Sachsens Schulen – doch Lücken auf dem Land bleiben


Unterrichtsausfall vor allem bei Jüngeren

Sorgen macht sich Ott vor allem um die Schülerinnen und Schüler der niedrigen Klassenstufen. Bei allen drei fünften Klassen des Gymnasiums sei der Stundenplan wegen fehlender Lehrer pro Woche um fünf Unterrichtsstunden gekürzt. Dazu komme ungeplanter Unterrichtsausfall, zum Beispiel weil Lehrer krank sind.

Zehntklässlerin Jessica Otto bestätigt, dass bei den Jüngeren viel Unterricht ausfällt. Ihr Bruder gehe in die fünfte Klasse des Gymnasiums, erzählt sie. „Wenn man da mal den Unterrichtsstoff vergleicht, den ich in der fünften Klasse hatte, mit dem, den er jetzt hat, dann ist das nicht mal die Hälfte. Die lassen sehr viele Themen ganz weg“, beschrieb die Schülerin ihren Eindruck.

Unterricht in einzelnen Fächern ganz gestrichen

Fünftklässler des Gymnasiums berichteten, sie hätten im ganzen Schuljahr noch keinen Ethikunterricht gehabt. Jessica Otto erzählt, Geschichte und Mathe würden pro Woche nur drei Stunden unterrichtet. „Das ist viel zu wenig – vor allem in der fünften Klasse, wo man die ganzen Grundlagen lernt. Man baut ja dann darauf auf“, beklagt Jessica. „Das kann man gar nicht mehr aufholen.“

In den höheren Klassenstufen sei die Situation dagegen aus ihrer Sicht noch nicht so dramatisch. Bei Klassen, die vor Prüfungen stehen, achte die Schulleitung darauf, dass dort weniger Unterricht gestrichen wird. Kurzfristige Ausfälle von Lehrern könnten aber auch hier oft mangels Vertretung nicht kompensiert werden.

Zu viele Hausaufgaben sorgen für Stress

Jede Woche würden Stunden ausfallen, berichtete auch Neuntklässlerin Marie Morgenstern. „Das stresst übelst, weil die Lehrer dann viel zu viel für zu Hause aufgeben.“ Sie sitze dann häufig noch bis abends an den Schulsachen. Oft gehe sie deswegen erst nach 22 Uhr ins Bett. Die Schülerin wünscht sich mehr Unterricht in der Schule, um nicht so viel zu Hause arbeiten zu müssen. „Meine Eltern sind tagsüber arbeiten und ich habe keine Hilfe“, beschrieb Marie ihre Situation.

Sorge um den Abschluss

„Wer, wie, was, warum – wer nicht lernt, bleibt dumm“, hatte Nils Rottnick auf sein Plakat für die Demo gemalt. Nils lernt an der Bruno-Bürgel-Oberschule, besucht dort die fünfte Klasse. Seine Klasse habe in diesem Schuljahr noch keinen Musikunterricht gehabt, erzählte er.

Manche seiner Klassenkameraden seien vielleicht glücklich damit, dass sie weniger Unterricht haben, mutmaßte Nils. „Bei den Prüfungen muss man den Stoff dann ja aber drauf haben. Wenn man den dann nicht hat, ist man scheiße dran.“ Er sorge sich, wie er mal seinen Abschluss schaffen soll. „Es wäre besser, wenn mehr Lehrer an unsere Schule kommen, damit wir eine bessere Zukunft haben“, forderte der Junge.

Mehr Stoff in den verbleibenden Stunden

Carolina Janousek, Mitglied im Schülerrat des Landau-Gymnasiums, sagte, dass die Lehrer nun mehr Stoff in die Unterrichtsstunden pressen, um noch dem Lehrplan gerecht zu werden. „Die Zeit für extra Fragen, für extra Stoff, auch mal Zeit fünf Minuten, um über das Thema zu reden – die fehlt. Es wird nur durchgehetzt und das war’s leider“, beschreibt Carolina. „Ich hoffe, dass das Kultusministerium sieht, dass uns das nicht egal ist und wir das nicht einfach so über uns ergehen lassen.“

Lehrerin spricht von „unhaltbarem Zustand“

Deshalb kam auch Birgit Haberland zur Demo. Die 67-jährige Gymnasiallehrerin könnte längst im Ruhestand sein. Weil am Landau-Gymnasium Lehrer fehlen, unterrichtet sie weiter zwei Tage in der Woche Russisch und Deutsch an der Schule. Mit Blick auf die jüngeren Klassen mache sie sich große Sorgen. Haberlands Enkelin besucht die sechste Klasse des Gymnasiums. Ihr Stundenplan sei um sieben Unterrichtsstunden gekürzt. Ungeplante Ausfallstunden kämen auch hier noch dazu.

„Das ist für mich ein unhaltbarer Zustand“, empört sich Haberland. Notgedrungen müssten dann auch die Anforderungen des Lehrplans zurückgenommen werden. Damit sinke das Niveau. Ihr mache das Angst, sagt Birgit Haberland. „Ich möchte, dass das Abi meiner Enkelin noch genauso viel wert ist wie vor zehn Jahren.“

Mehr Lehrer in Ruhestand gegangen als neu eingestellt

In Weißwasser ist die Lage auch deshalb so prekär, weil in den vergangenen Jahren mehr Lehrkräfte in den Ruhestand gegangen sind als neu eingestellt wurden. Seit 2020 haben nach Angaben des Landesamtes für Schule und Bildung 70 Lehrerinnen und Lehrer ihren Dienst beendet, nur 48 konnten in diesem Zeitraum neu eingestellt werden. Seiteneinsteiger sind da schon mitgezählt. „Die Situation im Osten Sachsens ist wahrlich eine Herausforderung“, stellt ein Sprecher des Landesschulamtes fest. Probleme mit der Unterrichtsversorgung gebe es hier nicht nur an den Ober- und Förderschulen – die Situation sei allgemein schwierig.



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Author: admin

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