Bayern hatte einen verrückten König, der Neuschwanstein erbauen ließ. In Sachsen aber gibt es ein noch viel verrückteres Märchenschloss.
Müglitztal.
In Deutschland gibt es schätzungsweise etwa 25.000 Burgen und Schlösser. Oft sind sie Touristenattraktionen, beherbergen Museen, Hotels, Restaurants. Doch kaum eines dürfte architektonisch so ungewöhnlich sein wie Schloss Weesenstein in Sachsen.
In den Keller geht es die Treppen rauf
Die Pferdeställe befinden sich in diesem Prunkbau nämlich im fünften Stock. Wer in den Keller will, muss hoch in den vierten Stock hinaufsteigen. Die herrschaftlichen Wohnräume liegen unter diesen Gewölbekellern, während es über einen Hof in der sechsten Etage in die Kirche geht. Den Festsaal findet man auf dem Dachboden. Jedes fünfte Fenster ist nur aufgemalt. Im Schlosstor gibt es eine Klappe, um Katzen einzulassen – zur Mäusejagd im Getreidespeicher. Von wertvollen Tapeten im Salon lachen die Hühner, während in einem anderen Raum teure Ledertapeten aus Belgien einmal alles reflektiert haben wie ein Spiegel. Sogar eine Art Virtual Reality-Raum gibt es in diesem Schloss, in dem seit dem 18. Jahrhundert Menschen nach Asien entführt werden.

Die Evangelisch-Lutherische Schlosskapelle bildet den architektonischen und künstlerischen Höhepunkt der gesamten Anlage von Schloss Weesenstein. Ähnlich wie bei der Dresdner Frauenkirche ist die Kapelle als Zentralraum mit einem prächtigem Deckengemälde gestaltet.
Bild: imago/Sylvio Dittrich

Die Evangelisch-Lutherische Schlosskapelle bildet den architektonischen und künstlerischen Höhepunkt der gesamten Anlage von Schloss Weesenstein. Ähnlich wie bei der Dresdner Frauenkirche ist die Kapelle als Zentralraum mit einem prächtigem Deckengemälde gestaltet. Bild: imago/Sylvio Dittrich
Aus diesem Grund wurde von oben nach unten gebaut
Der Grund, warum Schloss Weesenstein quasi auf dem Kopf steht, sind dessen Lage und lange Geschichte. Im Gegensatz zu den meisten Schlössern wurde es nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten gebaut. Der älteste Teil, der Bergfried, thront auf der Spitze eines Felsens. Im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Besitzer – und jeder baute den Hang hinab weiter, bis schließlich acht Stockwerke tiefer der Wintergarten am Fuße des Schlossberges entstand. Trotzdem hat kein einziges Gebäude der Schlossanlage mehr als vier Geschosse.

Teure Ledertapeten an den Wänden: Die Schlossherren von einst wussten zu leben. Das Leder isolierte und schuf ein behagliches Raumklima.
Bild: Matthias Hiekel/dpa

Teure Ledertapeten an den Wänden: Die Schlossherren von einst wussten zu leben. Das Leder isolierte und schuf ein behagliches Raumklima. Bild: Matthias Hiekel/dpa
König Johann von Sachsen ist der berühmteste Herr von Schloss Weesenstein
Die Geschichte von Schloss Weesenstein beginnt bereits im Mittelalter. Damals entstand auf dem Felsen eine kleine Höhenburg über dem Tal der Müglitz, das sich so kontrollieren ließ. Später diente es über Jahrhunderte lokalen Adelsgeschlechtern, aber auch Angehörigen des Fürstenhauses der Wettiner als Wohnsitz. Der bekannteste Schlossbesitzer war König Johann von Sachsen, der dort Werke von Dante Alighieri, dem Verfasser der „Göttlichen Komödie“, übersetzte und in seinen Abendgesellschaften diskutierte.
Im Schloss Weesenstein wohnten aber nicht nur Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen, sondern auch viele Bedienstete und Angestellte. Sie sorgten für einen reibungslosen Ablauf im täglichen Geschehen: vom Gärtner bis zu Amme, vom Kutscher bis zur Köchin. Sie stammten aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Viele von ihnen sind vergessen, doch ohne sie wäre die adlige oder königliche Familie aufgeschmissen gewesen. Die aktuelle Sonderausstellung „Immer zu Diensten! Hinter den Kulissen von Schloss Weesenstein“ erzählt von ihrem Leben, ist aber nur noch bis zum 12. April zu sehen.

So sah 3D im 18. Jahrhundert aus: Aufwändig bedruckte Tapeten sollten die Besucher auf Schloss Weesenstein nach Asien entführen.
Bild: imago

So sah 3D im 18. Jahrhundert aus: Aufwändig bedruckte Tapeten sollten die Besucher auf Schloss Weesenstein nach Asien entführen. Bild: imago
Im Baustil des Schlosses spiegeln sich die verschiedenen Epochen wider von der Gotik bis zu Barock und Klassizismus. Bemerkenswert sind unter anderem auch die originalen Möbel und Tapeten, die die Wohnkultur der Adeleigen aus früheren Zeiten vermitteln, die Schlosskapelle sowie der im Stil des Klassizismus errichtete Wintergarten. Der kunstvoll angelegte Schlosspark ist besonders im Frühling einen Ausflug wert, wenn er zu neuem Leben erwacht. Zwischen blühenden Pflanzen und Bäumen lässt sich dann die idyllische Atmosphäre des Müglitztals genießen, das zu schönen Spaziergängen einlädt.
Um Kosten zu sparen, sind Rundgänge durch Schloss Weesenstein seit dem 1. April nur noch dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr möglich. Zu Ostern wird es auf Schloss Weesenstein aber nun richtig blumig. Was die rote Rose oder das Vergissmeinnicht in der Blumensprache bedeuten, wissen viele. Wer aber erfahren möchten, was ein Sträußchen Petersilie aussagt, der kann sich das bei den Osterführungen am 20. und am 21. April durch Schloss Weesenstein erläutern lassen. Bei einem kurzweiligen Rundgang durch die Anlage wird die Geschichte des Hauses dann durch die Blume erzählt. Denn die finden sich auf allerlei Möbeln, Tapeten und Wänden. (juerg)