In Sachsen ist eine Lehrerin an einer Oberschule in der Kleinstadt Oelsnitz im Erzgebirge mutmaßlich rechtsextrem bedroht worden. Sie hat sich daraufhin an eine andere Schule versetzen lassen. In einem am Montag veröffentlichten Statement spricht der Schulleiter Kay Hertel in Namen des Kollegiums von einem „feigen Angriff“. Demnach sollen am 20. Januar gegen 18 Uhr drei vermummte Personen der Lehrerin auf einem Parkplatz direkt an der Schule mit einer Reichskriegsflagge aufgelauert haben. Sie blendeten sie mit einer Taschenlampe, „beleidigten sie aufs Übelste und bedrohten ihr Leben“, heißt es weiter.
Die Polizei und das Landesschulamt bestätigten den Vorfall auf Anfrage von ZEIT ONLINE. Es wird wegen Bedrohung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.
Die betroffene Lehrerin möchte anonym bleiben, äußert sich aber erstmals öffentlich zu der Tat gegenüber ZEIT ONLINE. Sie sei an dem besagten Abend noch in der Schule gewesen, um Unterricht vorzubereiten. Die Täter habe sie nicht erkennen können, es sei aber „Sieg Heil“ gerufen worden und der Satz: „Wir schicken dich ins KZ!“ Sie habe daraufhin den Schulleiter angerufen, der die Polizei informierte. Als die Beamten kurz darauf eintrafen, waren die Täter bereits geflohen. Es wird weiterhin nach ihnen gesucht. Unklar ist bisher, ob sie aus dem Ort stammen oder mit der Schule in Verbindung stehen.
Schulleiter Hertel sagte ZEIT ONLINE, er bedauere den Weggang der Lehrerin, die als engagiert bekannt gewesen sei. Ursprünglich habe sie die Schule erst zum Sommer verlassen wollen. Der Vorfall habe ihren Wechsel nun beschleunigt. Hertel berichtet seither von vielen Gesprächen mit Sozialarbeitern und Kommunalpolitikern. An der Schule gebe es ein Präventionskonzept, das nun im Kollegium überarbeitet werden soll. Dabei soll auch die Bedrohung gegen die ehemalige Kollegin und der Umgang damit eine Rolle spielen.
Hertel hofft, dass die Täter bald gefunden werden und der Fall aufgeklärt wird. Er habe auch einige Schülerinnen und Schüler der achten und neunten Klasse dazu befragt, die sich zum Tatzeitpunkt in der Nähe aufgehalten hatten und den Vorfall beobachten konnten. Die Jugendlichen hätten das Geschehen bestätigt, doch niemand habe die Täter erkannt. „Ich habe auch gefragt, warum niemand eingeschritten ist und der Lehrerin geholfen hat“, sagte Hertel. „Sie haben mir gesagt, es sei so schnell gegangen und sie hätten auch Angst gehabt.“ Sollte sich herausstellen, dass jemand aus der Schülerschaft in die Tat involviert war, sagte Hertel weiter, „ergreifen wir die härtesten Ordnungsmaßnahmen, die uns zur Verfügung stehen“.
Zahl der gemeldeten rechtsextremen Vorfälle an Schulen nimmt zu
Es ist nicht der einzige Vorfall mit mutmaßlich rechtsextremem Hintergrund an der Oberschule. Vor einigen Tagen wurden am Eingangstor, an nahe gelegenen Verkehrszeichen und Laternen „rechtsradikale Aufkleber“ entdeckt, heißt es in einer anderen Meldung, die am vergangenen Wochenende auf der Website der Schule veröffentlicht wurde. Ihm sei bewusst, sagte Schulleiter Hertel, dass Rechtsextremismus in der Region ein Problem ist. Auch in der Schule sei es zu einzelnen Vorfällen wie Hakenkreuz-Schmierereien gekommen. Es gebe Elternhäuser, „die tendieren in eine rechtsradikale Richtung und geben dieses Denken an ihre Kinder weiter“. Hertel betonte aber auch: „Das betrifft nicht die Mehrheit der Schüler.“
Das sächsische Kultusministerium erklärte auf Anfrage zu dem Vorfall in Oelsnitz, Schule könne „nicht der Reparaturbetrieb gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen sein“. Es gebe aber in Sachsen „umfangreiche Maßnahmen in dem betreffenden Bereich“. Ein Sprecher verweist unter anderem auf Präventionskonzepte für Schulen und darauf, dass man politische Bildung in den Lehrplänen verstärkt habe. „Spezielle Unterrichtsmodule zur Demokratiebildung an Oberschulen“ seien entwickelt worden. Gleichzeitig steht das Bildungssystem in Sachsen unter Druck, der Unterrichtsausfall ist hoch. Es gibt wiederholt Kritik aus sächsischen Schulen, dass zu wenig in Schulsozialarbeit investiert werde und Stellen in diesem Bereich gestrichen würden.
Die Zahl rechtsextremer Vorfälle an sächsischen Schulen hat in den vergangenen Jahren zugenommen, das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken hervor. 2024 erfassten die Schulaufsichtsbehörden demnach insgesamt 154 rechtsextrem motivierte Vorfälle, darunter rechtsextreme Symbole an und in Schulgebäuden, Hitlergrüße, antisemitische Beleidigungen sowie Drohungen gegen Lehrkräfte und mehrere Amokdrohungen. 2023 gab es 149 solcher Fälle. In den Jahren zuvor lag die Zahl teilweise deutlich darunter. Es gibt kein einheitlich geführtes bundesweites Lagebild zu rechtsextremen Vorfällen an Schulen. Erhebungen der Bundesländer zeigen jedoch, dass die gemeldeten Fälle auch andernorts gestiegen sind, etwa in Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Immer wieder berichten Medien über besonders schwerwiegende Vorfälle. An einer Schule im brandenburgischen Spremberg wurde im Februar eine Lehrerin laut der Lausitzer Rundschau von einem Schüler körperlich attackiert und diskriminierend beleidigt. Es kam auch zu Hakenkreuz-Schmierereien und Hitlergrüßen, außerdem soll ein Schüler einen Vormittag lang mit einer Armbinde in den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot durch die Schule gegangen sein. Die Sächsische Zeitung berichtete kürzlich von verfassungsfeindlichen Vorfällen und antisorbischen Beschimpfungen am Sorbischen Gymnasium in Bautzen. Es gebe Hakenkreuze, Hitlergrüße, gekrakelte Beleidigungen auf Tischen wie „FCK Sorben“ und „Sorben raus“. Am vergangenen Montag blieben außerdem mehrere Schulen in Duisburg geschlossen, nachdem anonyme Mails von einem mutmaßlich rechtsextremen Absender eingegangen waren. Der Unterricht für 18.000 Schülerinnen und Schüler wurde daraufhin abgesagt. Inzwischen wurden mehrere Tatverdächtige ermittelt.