„Jeder dritte Chip Europas kommt aus Sachsen“


Während zwei der wichtigsten deutschen Branchen – die Automobil- und die Chemieindustrie – derzeit sehr stark unter der anhaltenden Wirtschaftskrise leiden, soll ein anderer Wirtschaftszweig neue Stärke gewinnen: der Chipindustrie. Egal ob in Smartphones, Mikrowellen oder Kühlschränken: Mikrochips, auch Halbleiter genannt, gelten als elementarer Bestandteil für viele unserer modernen Lebensbereiche. Asien ist derzeit klarer Branchenprimus, Europa will seinen Marktanteil bis 2030 allerdings von etwa zehn auf 20 Prozent ausweiten.

Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, lockt Deutschland ausländische Firmen mit milliardenschweren Subventionen ins Land. Nicht immer ist dieser Weg von Erfolg gekrönt: Trotz zehn Milliarden Euro staatlicher Unterstützung hat der US-amerikanische Chiphersteller Intel den Bau für ein geplantes Werk in Magdeburg auf Eis gelegt. Viel besser läuft es hingegen offenbar im Inland: Der deutsche Hersteller Infineon – einer der größten weltweit – verzeichnet seit Monaten steigende Aktienkurse. Anders als einige Konkurrenten scheint auch die anhaltende Schwäche von Tesla Infineon nicht aus der Bahn zu bringen. Und das, obwohl der Absatz von Autochips für Halbleiterhersteller extrem wichtig ist. Warum ist der deutsche Chipriese so stark?

Infineon-Aktie steigt seit Monaten, 920 Milliarden für neues Werk in Dresden

Der von US-Regierungsmitglied Elon Musk geführte amerikanische Hersteller Tesla verkaufte im vergangenen Jahr in Deutschland deutlich weniger Elektroautos als zuvor. Die Zahl der Neuzulassungen sank 2024 um ganze 41 Prozent – wodurch Tesla sogar von BMW als Nummer zwei in Deutschland abgelöst wurde. Auch weltweit büßte Tesla ein: Vergangenes Jahr hat der Hersteller eigenen Angaben zufolge knapp 1,79 Millionen Autos ausgeliefert – 19.000 weniger als 2023. Aus Expertenkreisen heißt es, dass die Tesla-Krise Chipherstellern wie STMicroelectronics und Onsemi zunehmend zur Belastung werde. Durch das schwache Tesla-Jahr 2024 sind Umsatz und Gewinn der Unternehmen in den vergangenen Monaten abgestürzt.

Infineon hingegen setzt primär auf chinesische Autohersteller wie BYD, Xpeng und Xiaomi statt auf Tesla. Das zahlt sich offenbar aus: Der Aktienkurs des deutschen Chipherstellers ist in den vergangenen sechs Monaten etwa um 20 Prozent gewachsen. Mit einem Jahresplus von einem Viertel gehören die Papiere des heimischen Chipriesen derzeit zu den drei besten Werten im DAX, berichtete das Börsenmagazin Der Aktionär am Freitag. Unter den Autochipherstellern ist Infineon aus Sicht einiger Experten die bevorzugte Aktie. Vor allem durch das starke Geschäft in China werde Infineon 2025 besser abschneiden als die von Tesla abhängige Konkurrenz, heißt es.

Erst am Donnerstag genehmigte die EU-Kommission die staatliche Förderung Deutschlands in Höhe von 920 Millionen Euro für den Bau einer neuen Chipfabrik von Infineon in Dresden. Die Beihilfe stimme mit den Zielen des europäischen Chip-Gesetzes überein, hieß es zur Erklärung von der EU-Kommission. Ein Infineon-Werk in Dresden existiert bereits, nun wird der Standort um eine weitere Produktionsstätte erweitert. Die Produktion soll bereits im nächsten Jahr beginnen.

Infineon rechnet bis 2027 mit einer Milliarde Euro Umsatz

Infineon sieht seine Stärke vor allem in seiner Ausrichtung auf die globalen Wachstumstrends Dekarbonisierung und Digitalisierung. „Eine starke Dynamik sehen wir aktuell insbesondere bei unseren Stromversorgungslösungen für KI-Rechenzentren“, sagt ein Sprecher auf Anfrage der Berliner Zeitung. Infineon erwarte allein im Geschäft mit der Energieversorgung von KI-Rechenzentren einen Umsatz von 600 Millionen Euro in diesem Geschäftsjahr. „Wir werden binnen zwei Jahren einen Jahresumsatz von einer Milliarde Euro erreichen“, so der Sprecher weiter. Die Halbleiternachfrage für Elektroautos aus China sei ungebrochen hoch. „Wir sehen China grundsätzlich als einen Markt mit Wachstumspotenzial, insbesondere in hochattraktiven Anwendungsbereichen wie Elektromobilität und erneuerbare Energien.“

„Die hohe Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Elektromobilität und Rechenzentren führt zu einem anhaltend starken Bedarf an Halbleitern“, sagt der Infineon-Sprecher. Mit dem neuen Werk in Dresden werde man einen Beitrag zum europäischen Ziel leisten, die Fertigungsbasis der Chip-Produktion in Europa und die Bedeutung des Silicon Saxony als Europas größten Halbleiterhub zu stärken. „Schon heute stammt jeder dritte Chip Europas von diesem Standort“, so der Sprecher. In Zeiten von fast täglichen Meldungen über Insolvenzen, Stellenabbau, und Produktionsverlagerungen kann die Stärke von Infineon durchaus ein Hoffnungsschimmer für die deutsche Wirtschaft sein.

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Author: admin

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